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Kalulu und andere afrikanische Märchen

Bücher

Cover

Brandes & Apsel

ISBN: 978-3-86099-428-3

19,90

2018

»Ich weiß noch, wie wir als Kinder am Abend Feuerholz gesucht haben, um mit unseren Müttern das Abendessen zu kochen. Danach haben wir dann zusammengesessen, und Großmutter hat uns im Schein des Feuers Geschichten erzählt. Schöne und grausige Geschichten, solche, die unsere Herzen erfreuten und uns lachen ließen, und andere, die uns das Einschlafen schwer machten.«

Märchen sind ein unerschöpfliches Erbe der Menschheit. Seitdem es Menschen gibt, gibt es Märchen. Sie waren Erklärungsversuche für das in der Natur Beobachtete und Erlebte, sie dienten der Verarbeitung des Erlebten, sie belehrten und sie unterhielten …. Sie sind Schätze, die wir in uns tragen und weitergeben. Märchen wandern mit den Menschen in die Welt.
In Tansania lernte ich ihn unter dem Namen Sungura kennen. Ein paar Jahre später hoppelte er mit meinem Sohn in mein Wohnzimmer in Kabompo. Einem idyllischen Ort in der Nord-West-Provinz Sambias: Hier hieß er Kalulu: Der trickreiche, schlaue Hase, der sich mit List und Tücke gegen die großen Tiere durchsetzt. Immer geht es in den Kalulu-Märchen um das Überleben. Und das beherrscht Kalulu gut. Er setzt sich durch. Die ersten Kalulu-Märchen schenkte mir mein Sohn, der sie von seinen sambischen Freunden erzählt bekommen hatte. Neugierig geworden sammelte ich nun in den Dörfern der Umgebung Kalulu-Märchen. Bald wussten alle in der Nachbarschaft, dass ich Märchen sammelte und manchmal besuchte mich ein Märchen-Erzähler …
Eines Tages besuchte mich ein befreundeter Missionar. „Wußtest, dass Kalulu der Ururur-Großvater von Bugs Bunny ist?“, fragte er und klärte mich sogleich auf: „Als die Menschen aus Afrika als Sklaven nach Amerika verschleppt wurden, nahmen sie ihren Kalulu mit sich.“
Während meines nächsten Heimaturlaubs suchte ich in der Bibliothek der Kinder- und Jugendbuchforschung der Goethe Uni nach Kalulu und fand ihn in dem Band „Uncle Remus Stories“! von Joel Chandler Harris. Er selbst hatte die darin enthaltenen Geschichten als Kind von zwei Sklaven auf der Farm seines Onkels erzählt bekommen, dem die Geschichten als Kind von zwei Sklaven seines Onkels erzählt worden waren. In dem 1880 erschienenen Buch ist es der Haussklave Uncle Remus, der dem weißen Kind seiner Herren die Geschichten erzählt. Ich verglich sie mit meinen Märchen, die ich in Sambia gesammelt hatte und entdeckte viele Ähnlichkeiten. Bei Uncle Remus heißt der Hase Brer Rabbit. Aber auch bei ihm geht es um das Überleben in einer feindlichen Umgebung, geht es um den Kampf gegen Stärkeren. Wie groß war aber dann meine Überraschung, als ich in dem 1913 erschienen Buch von Martin Boelitz die Übersetzung der Uncle Remus Stories als „Meister Lampes lustige Abenteuer und Streiche“ vorfand. In der deutschsprachigen Übersetzung hatte er also den Namen Meister Lampe erhalten. 1913! In einer Zeit, in der sicherlich kaum ein Afrikaner seinen Fuß in ein deutsches Kinderzimmer gesetzt hatte! Er kam von weit her: Aus Afrika nach Nordamerika. Von Nordamerika nach Deutschland! Schlauer Kalulu! Und als ich wieder für zehn Jahre nach Tansania ging, nahm ich ihn mit. Er öffnete mir die Türen zu den Herzen der Straßenkinder.

Sie konnten sich gut mit ihm identifizieren, denn auch sie mussten früh lernen sich gegen die Stärkeren zu wehren um zu überleben …


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