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Mit Kindern über den "Gefühlslöwen" sprechen ...

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Lesungen aus „Wenn der Löwe brüllt“

Das Erzählen und Lesen meiner Geschichten aus Afrika und den Lebenswelten meiner Protagonist:innen, die meinen kleinen und auch großen Zuhörer:innen zunächst fremd sind, ist jedes Mal wie eine kleine Reise. Eine Reise, die ich mit den Kindern Schritt für Schritt mache und so weit mit ihnen gehe, wie sie mit mir in die Geschichte eintauchen möchten. Die Kinder folgen mir und ich folge ihnen. Während dieser gemeinsamen „Lesereise“ spüre ich immer wieder eine ungeheure Empathie meiner Zuhörer:innen für die Kinder in meinen Geschichten.

So gibt es immer wieder berührende Momente. Mit „Wenn der Löwe brüllt“ möchte ich davon erzählen: Die Geschichte handelt von einem Tag im Leben von den Straßenjungen Emanuel und Bilali. Ich erzähle die Geschichte als Bilderbuchkino.

Der Löwe ist kein wirklicher Löwe. Der Löwe ist der Hunger im Bauch, den auch meine Zuhörer:innen kennen. Im Gegensatz zu den Straßenkindern, können sie jedoch meistens den hungrigen Löwen im eigenen Bauch schnell und unkompliziert besänftigen.

Der Löwe in der Geschichte ist aber auch, durch die wunderbaren Illustrationen von Barbara Nascimbeni, als Tröster, Beschützer und Freund sichtbar.

2012 im jüdischen Museum in Berlin, eine gemeinsamen Lesung mit Barbara Nascimbeni

Wie die Kinder zeigt der Löwe Angst, Freude, Lachen, wird böse und spiegelt so all die Gefühle von Emanuel und Bilali wieder, die sie in den unterschiedlichen Situationen haben; und meine Zuhörer:innen stellen fest, dass sie die gleichen Gefühle haben wie die Jungen im Buch! Sie können sich mit ihnen immer mehr identifizieren.
Lustig wird es während der Lesung, wenn ein Kind sagt „der Löwe knurrt jetzt auch in meinem Bauch“ und andere „auch bei mir!“ – „ich höre ihn auch, ich höre ihn auch!“
Im Laufe des Erzählens und der Vorführung der Geschichte als Bilderbuchkino, geben meine Zuhörer:innen dem Löwen Namen, wie „Gefühlslöwe“, „Zauberlöwe“, „Trostlöwe“, „Magielöwe“, „Hungerlöwe“ u.v.m.
Als die Protagonisten in meiner Geschichte, aus hungriger Verzweiflung, nachdem ihnen das mit Autowaschen verdiente Geld von einem größeren Jungen mit Gewalt abgenommen wurde, Brot stehlen, diskutieren die Kinder in der Klasse heftig darüber „ob man stehlen darf, wenn man Hunger hat“. Sie haben viele Für und Wider und differenzieren ganz klar, in dem sie das eigene Leben mit dem Leben der Straßenkinder vergleichen. Es ist immer wieder berührend, wie die Kinder die Gefühle der Straßenkinder in den einzelnen Situationen wahrnehmen, und dabei auch über sich und über ihre eigenen Gefühle sprechen.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir aus eine meiner ersten Lesungen aus diesem Buch der Satz eines Jungen der 2. Klasse der Deutschen Schule in Addis Abeba: „Wenn ich einen Jungen sehe, der auf der Straße bettelt, dann bekomme ich einen ganz dicken Kloß in meinem Hals. … Ich denke dann immer, wie das ist, wenn ich dieser Junge wäre …“. Durch ihn und andere Kinder, die ihm mit ähnlichen Äußerungen in späteren Lesungen folgten, wurde mir bewusst, dass Kinder das Bedürfnis haben, über ihre Gedanken und Gefühle zum Thema „arme Menschen, Bettler:innen, Obdachlose“ zu sprechen. Sie begegnen ihnen ja! Beim Vorbeigehen! Beim „Einkaufen mit Mama und Papa“. Sie machen sich Gedanken, sie haben alle möglichen unangenehmen Gefühle dabei, doch meistens ist da keine Zeit mit den Erwachsenen darüber zu sprechen und so bleibt das Kind mit seinen Gedanken, Gefühlen und Fragen allein.
Jede Veranstaltung mit „Wenn der Löwe brüllt“ berührt mich aufs Neue. Ich folge den Kindern. Ich lerne von ihnen jedes Mal aufs Neue, dass sie ungemein offen sind für andere Kinder, denen es nicht so gut geht. Sie können sich in sie hineinversetzen – sind empathisch. Dass sie am Ende der Veranstaltung großen Hunger haben, weiß ich seit der ersten Lesung aus „Wenn der Löwe brüllt“! Bei dieser Geschichte, in der um den Hunger geht, werden die Kinder hungrig. Damit die Löwen in den kleinen Bäuchen besänftigt werden, schlage ich den jeweiligen Lehrkräften vor, den Kindern nach der Lesungen Obst aus Afrika anzubieten.
Meistens sind das dann Bananenscheiben und Datteln, die mit Vergnügen gegessen werden.


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