Rezension zu "Die Spur des Elefanten" in der SZ
Wilderer im Nationalpark - Eine Abenteuergeschichte aus Afrika
Rezension von Die Spur des Elefanten von ROSWITHA BUDEUS-BUDDE, Süddeutsche Zeitung, 22.7.2014
Klassische Jungenabenteuer sind nach immer demselben literarischen Muster gestrickt. In der Umgebung des Helden geschieht Mysteriöses, Gefährliches, das nur er, oft gegen den Widerstand und das strikte Verbot der Erwachsenen, und unter großen Gefahren aufdecken kann. Dass dieses international bewährte literarische Konzept auch in der Kinderliteratur über Afrika funktioniert, beweist die iranisch-deutsche Autorin Nasrin Siege in Die Spur des Elefanten. Ihre Helden Zawadi und sein Freund Omari, die in einem kleinen Dorf am Selous Nationalpark in Tansania leben, sind trotz ihres afrikanischen Alltags im Busch genau so abenteuerlustig, frech und nicht gerade Musterschüler, wie die europäischen Leser. Oft kommen sie zum Unterricht zu spät, und müssen zur Strafe im Garten des Lehrers Unkraut jäten.
Der Tageslauf Zawadis, der seit dem Tod der Mutter bei den Großeltern lebt, ist bestimmt durch Hilfe im Haushalt und den Schulalltag, fasziniert ist er jedoch vom Nationalpark, und er unternimmt immer wieder heimliche Ausflüge, um die Tiere zu beobachten. Doch gerade diese Nähe zum Park bringt die Dorfbewohner in große Schwierigkeiten. Ständig wandern Elefantenherden über die Felder, verwüsten sie oder besetzen die Wasserlöcher. Gefährlich sind auch die Löwen und Leoparden, denen die Dorfleute ziemlich hilflos ausgeliefert sind, denn es ist ihnen von der Regierung verboten, Gewehre zu besitzen, nachdem durch die Wilderei auf Elfenbein die Bestände der Elefanten stark dezimiert worden waren. Ein Übertreten wird streng geahndet, auch Zawadis Großvater hatte schon im Gefängnis gesessen. Selbst zur Verteidigung gegen gefährliche Wildtiere darf keine Waffe eingesetzt werden, eine Ausnahme gilt nur für die staatlichen Wildhüter, wie Zawadis Vater einer ist.
Aus diesem politisch-sozialen Konflikt entwickelt Nasrin Siege, die seit vielen Jahren in Afrika lebt, ihre spannende Handlung. Als Zawadi morgens mit seinem Freund Omari zur Schule geht, diskutieren sie über dieses Verbot zum Schutz der Tiere, das sie selbst bald in ein lebensgefährliches Abenteuer verwickelt. Eine getötete Elefantenkuh, ihre Elfenbeinzähne sind schon abgesägt, wird im Wald gefunden, und der Vater von Omari gerät in den Verdacht, mit den Wilderern zusammenzuarbeiten. Die Jungen, überzeugt davon, die Täter oder Indizien für die Unschuld des Vaters zu finden, starten einen gefährlichen Streifzug in den Wald, der das ganze Dorf in Aufregung versetzt.
Natürlich endet dieses Abenteuer gut – Zawadi entgeht durch die Fürsprache des Großvaters einer harten Strafe –, aber der Autorin gelingt es trotz der abenteuerlichen Handlung einen Diskurs anzuregen. Haben die Bauern als Nachbarn des Nationalparks überhaupt eine Chance, mit ihrer traditionellen Landwirtschaft zu überleben? Werden sie dem Tierschutz weichen müssen, auch weil sie durch die Wilderei die Tierbestände gefährden? Es ist für Europäer sehr einfach, vollmundig für den Artenschutz einzutreten, doch für die afrikanischen Landbewohner geht es um ihre Existenz. (Ab 10 Jahre.)